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Der unsägliche zweite Teil

Colossal Order ist – obwohl es ein relativ kleines Computerspielstudio aus Finnland ist – möglicherweise eines der einflussreichsten.

Mit dem Computerspiel Cities in Motion wurden neue Standards gesetzt, was Öffi-Spiele betrifft. Nachdem EA-Games mit dem Sim-City-Nachfolger „Sim City“ 2013 einen veritablen Bauchfleck hingelegt hatte, zeigte Colossal Order dem großen Entwicklerstudio 2015 beeindruckend, wie man es richtig macht.

Bis heute erfreuen sich Millionen von Spielern an Cities: Skylines. Laut Wikipedia wurden (Stand Juni 2022) über 12 Millionen Exemplare dieses Spiels verkauft. Das hat so viele Gründe, die man hier nicht notwendigerweise aufzählen muss, das wissen die Spieler eh selber.

Die Entscheidung, das Spiel grundsätzlich für Modding zu öffnen, war aber der Turbo des Ganzen: So fahren in meiner Stadt ULFe als Straßenbahn herum, zwischen McDonalds-Restaurants stehen Billa-Filialen in der Landschaft und die erweiterten Straßenlenkungsmaßnahmen, die großartige Spieler dazu programmiert haben, verleihen dem Spiel immer neue Ebenen.

Beim Errichten einer Großstadt stößt man unweigerlich auf Probleme. Die vielen Massen müssen transportiert werden. U-Bahnlinien und Straßen sind bald einmal überlastet, Staus und zurückgebliebene Fahrgäste und somit unglückliche Bürger sind die Folge.

Durch die besprochenen Addons ist es aber beispielsweise möglich, Ampeln ein anderes Verhalten zu geben. Durch genaue Umlaufzeiten einzelner Ampelanlagen ist es beispielsweise möglich, auf der Hauptstraße eine grüne Welle zu implementieren, was viele der Staus auflöst. Das gibt dem Spiel eine völlig neue Ebene, mit der man sich stundenlang beschäftigen kann. Ein Spiel im Spiel quasi.

Hauseigene Erweiterungspacks der Entwickler sorgten auch dafür, dass das Spiel immer besser und realistischer wurde. Ich liebe es.

Und dann Teil 2

Es scheint dann aber immer eine gewisse Unzufriedenheit seitens der Entwickler mit ihrem Produkt zu geben. Damals bei Cities in Motion war das schon so: Die Community forderte Verbesserungen und lieferte Vorschläge, die im Spiel Cities in Motion 2 umgesetzt wurden. Umgesetzt werden sollten, denn genau verstanden haben sie es nicht:

Das liegt vor allem an der Spielmechanik: Die Uhrzeit läuft – vor allem für die im Spiel eingebaute Fahrplangestaltung – viel zu schnell ab.

Beim öffentlichen Verkehr gibt es gemeinhin Spitzenzeiten: Am Morgen fahren Schüler und Arbeitende in die Schule und zur Arbeit, mittags und abends wieder retour. Dazwischen ist das Fahrgastaufkommen eher mau. Wenn man dennoch die gleiche Anzahl an Fahrzeugen draußen hat, verliert man Geld. Somit wurde ein Fahrplanfeature eingeführt, das diesem Umstand Rechnung trägt: Man kann Linien punktuell verstärken. Dadurch, dass die Zeit im Spiel aber zu schnell abläuft, sind die Verstärker in der Früh zwar am Linienanfang, doch bis die Verstärkerbusse wieder zurück im Depot sind, ist es spät in der Nacht.

Dieser Umstand und einige andere „Features“, die dem Spiel mehr Realismus einhauchen sollten, es dann aber letztlich unrealistisch machten, ließen die Spieler dann doch eher ratlos zurück und bald spielte man wieder nur mehr den Teil 1.

Auch beim Stadtbausimulator?

Nun hat man nach langer und pompöser Ankündigung nun endlich Cities: Skylines 2 veröffentlicht. Begründet wurde dies vorrangig damit, dass der erste Teil technisch in die Jahre gekommen sei und durch technische Limitierungen nicht mehr in dem Ausmaß erweitert werden könne, wie dies von den Entwicklern und Kunden eigentlich gewünscht wird.

Und da kam es auf, dieses seltsame Gefühl: Eine Mischung aus purer Vorfreude und der Angst, dass sie es wieder versemmeln würden.

Wird der zweite Teil auch wieder eine Pleite werden wie Cities in Motion 2? Werden sie das Spiel nach der pompösen Propaganda ähnlich versemmeln wie EA-Games damals mit Sim City?

Noch kann ich das nicht letztgültig beantworten. Ja, sie haben es nicht hingekriegt. Man laboriert an entsetzlichen Performanceproblemen, das Spiel läuft nicht mal auf Höllenmaschinen flüssig.

Extra einen neuen Gaming-PC angeschafft und das Spiel fängt schon bei einer kleinen Stadtgröße zu ruckeln an, Busse und Autos sehen aus wie aus billigem Plastik und scheinen sich in manchen Situationen aufzulösen.

Das wurde aber im Vorfeld, etwa 3 Wochen vor Veröffentlichungstermin auch eingeräumt. Man wollte aber unbedingt am Veröffentlichungsdatum (24.10.2023, warum am Dienstag? Und warum sagte mir niemand, dass das erst um 18 Uhr so weit sein wird? Urlaubstag für nix verbraucht.) festhalten, nachdem man die Konsolenversionen schon weit nach hinten verschoben hatte. Mit dem Versprechen, Updates nachzuliefern.

Neben ein paar Verbesserungen wie realistischeren Zonen (Wohnhäuser, die im Erdgeschoß Geschäfte beherbergen können), hat man meiner Meinung nach viel zu viel Fokus auf Dinge gelegt, die dem Otto-Normal-Spieler, wie ich es einer bin, eher wurscht sind. Diese extreme Tiefe, mit der man Waren, Bürger und Industrien besteuern kann beispielsweise. Naja, ob das der Burner sein wird?

Und dann kommt so viel unrealistisches dazu: Schulen, Bahnhöfe usw. sind derartig groß und brauchen sehr viel Platz. Das mag für einige Hauptbahnhöfe oder einen Schulcampus tatsächlich gelten. Die meisten Schulen sind aber in Städten irgendwo in einer Straße, zwischen anderen Wohnhäusern gebaut und von diesen optisch mitunter gar nicht unterscheidbar.

Die riesengroßen Bahnhöfe machen es jetzt eigentlich unmöglich, die Vororte mit Schnellbahnlinien zu erschließen. Monorail fehlt völlig.

Und dadurch, dass es überhaupt keine Mods gibt, hat man quasi ein nackertes Spiel ohne spannenden Erweiterungen. Man fängt bei Null an.

Mag ich das?

Ich weiß nicht genau, ob mir das Freude bereitet. Jede Kreuzung hat schon wieder Ampeln, die ich nicht ausschalten und nicht steuern kann, es entsteht schon wieder Stau.

Das ganze Interface ist übrigens – zwar optisch angepasst – genau gleich wie im ersten Teil.

Und somit fühlt es sich wie folgt an: Das Spiel ist so, wie der erste Teil 2015 war, nur um den Preis, dass es viel langsamer läuft. Warum sollte ich das also spielen? Und nicht weiterhin den ersten Teil, der sich 8 Jahre lang von einer wunderschönen Blume zu einem Blumenstrauß weiterentwickeln durfte.

Schauen wir mal, wohin die Reise geht.